Entscheidet mein Gehirn oder entscheide ich?

aus scinexx

„Ampel“ im Gehirn: Verzögerung

entscheidet

Verzögerte Hemmung von Nervenzellen ist mögliche Grundlage für Entscheidungen

In jeder wachen Minute müssen wir Entscheidungen treffen – manchmal im Bruchteil einer Sekunde. Neurowissenschaftler haben jetzt eine mögliche Erklärung gefunden, wie im Gehirn zwischen Alternativen gewählt wird: Offenbar könen schon winzigste Verzögerungen zwischen erregenden und hemmenden Signalen über Pro oder Contra entscheiden, berichten sie im Journal of Neuroscience.

Die Ampel springt von Grün auf Gelb: Schnell noch Gas geben oder doch auf die Bremse treten? Unser tägliches Leben ist eine lange Reihe von Entscheidungen. Im Gehirn besteht dieser Vorgang oft darin, dass einem Gehirnprozess der Vorzug gegenüber einem anderen gegeben wird, wobei beide auf dieselben Ressourcen im Nervensystem zugreifen wollen. Was genau im Gehirn geschieht, wenn zwischen Alternativen gewählt wird, war aber bislang ein Rätsel.

Nervenzell-Netzwerk im Rechner nachgebaut

Wissenschaftler des Bernstein Center an der Universität Freiburg um Jens Kremkow, Arvind Kumar und Professor Ad Aertsen stellen nun einen Mechanismus vor, mit dem das Gehirn bereits auf der Ebene einzelner Nervenzellen innerhalb von Sekundenbruchteilen aus mehreren Aktionen wählen kann. Da Struktur und Aktivität des Gehirns zu komplex sind, um diese Frage im einfachen biologischen Experiment zu beantworten, bauten die Wissenschaftler ein Netzwerk aus Nervenzellen im Computer nach.

Abstand zwischen erregenden und hemmenden Signalen entscheidend

Neuronen des Gehirns können erregend oder hemmend auf die Aktivität anderer Nervenzellen wirken. In dem von den Forschern konstruierten Netzwerk agierten zwei Gruppen von Neuronen als Sender zweier unterschiedlicher Signale. In einem nachgeschalteten Bereich, dem „Gatter“, sollten andere Neurone kontrollieren, welches der Signale weitergeleitet wird. Da die Zellen innerhalb des Netzwerks sowohl mit erregenden als auch mit hemmenden Neuronen verknüpft waren, erreichten die Signale das Gatter jeweils in erregender wie auch – nach kurzer Verzögerung – in hemmender Form.

Die Forscher fanden in ihren Simulationen heraus, dass für die „Entscheidung“ der Neurone zugunsten eines der Signale diese Verzögerung den Schlüssel darstellte: War sie sehr klein, wurden die Zellen im Gatter in ihrer Aktivität zu schnell gehemmt, als dass sie das Signal hätten weiterleiten können. Umgekehrt führte eine größere Verzögerung dazu, dass sich das Gatter für das Signal öffnete. Ergebnisse aus neurophysiologischen Experimenten zeigten bereits, dass in echten Nervenzellen eine Veränderung der Verzögerung möglich ist und unterstützen somit den Befund von Kremkow und Kollegen, dass auf dieser Basis die Auswahl aus mehreren Alternativen im Gehirn realisiert sein
kann.

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Nota.

Das „Was“ einer Entscheidung ist also sozusagen ‚von alleine da‘ – „determi- niert“ durch den je vorangegangenen ‚Zustand‘ des Gehirns, wie Wolf Singer sich ausdrücken würde. Die Entscheidung selber geschieht aber erst als eine alternative Wahl zwischen Ja und Nein – wobei das Ja eine Art ‚ausgebliebenes Nein‘ darstellt. Nun soll uns Wolf Singer noch erklären, wie eine alternative Wahl zwischen nur zwei Möglichkeiten von irgendwas oder irgendwem vorab „determiniert“ werden könnte!

J. E.

~ von Panther Ray - November 26, 2010.

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